Gebärstreik für bessere Arbeitsbedingungen

‚Gebärstreik’ als politisches Kampfmittel ist viel älter als Wikipedia glaubt. Er beginnt nicht erst im Jahr 1913, als die deutsche und französische Arbeiterbewegung damit auf politisch-gesellschaftliche Forderungen hinweisen wollten.

Schon im Jahr 1700 malte die Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian (1647-1717) den wunderbaren Pfauenstrauch (lat.: Caesalpinia pulcherrima), den sie auf ihre Reise in das südamerikanische Suriname bewunderte. Dazu schrieb sie:

"Ihr Samen wird gebraucht für Frauen, die Geburtswehen haben und die weiterarbeiten sollen. Die Indianer, die nicht gut behandelt werden, wenn sie bei den Holländern in Dienst stehen, treiben damit ihre Kinder ab, damit ihre Kinder keine Sklaven werden, wie sie es sind. Die schwarzen Sklavinnen aus Guinea und Angola müssen sehr zuvorkommend behandelt werden, denn sonst wollen sie keine Kinder haben in ihrer Lage als Sklaven. Sie bekommen auch keine, ja sie bringen sich zuweilen um wegen der üblichen harten Behandlung, die man ihnen zuteil werden läßt, denn sie sind der Ansicht, daß sie in ihrem Land als Freie wiedergeboren werden, so wie sie mich aus eigenem Munde unterrichtet haben."

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde in Suriname vor allem Kaffee, Kakao, Tabak, Zucker und Indigo angebaut. Der Großteil der Arbeit auf den Pflanzungen wurde von etwa 60.000 afrikanischen Sklaven, hauptsächlich aus den heutigen Staaten Ghana, Benin, Angola und Togo, verrichtet, die meist schlecht behandelt wurden.

Als in Europa die Diskussion über die Abschaffung der Sklaverei begann, wurde es für die Pflanzer immer teurer und aufwendiger, neue Arbeitskräfte einzukaufen. Daher versuchten viele Plantagenbesitzer ihre schwarzen Sklavinnen als ‚Gebärmaschinen’ zu benützen. Für die Beendigung der Schwangerschaft verwendeten die Frauen entweder die Samen des Pfauenbaumes oder einen Absud aus den Wurzeln.

Der schöne Pfauenbaum wurde in großen Mengen nach Europa gebracht und ab ca. 1660 in allen bedeutenden Gärten kultiviert, beispielsweise im Pariser ‚Jardin du Roi’ und im holländischen ‚Hortus’. Aber das Wissen über seine Einsatzmöglichkeit für den Schwangerschaftsabbruch kam in Europa niemals an. Sogar der wichtige holländische Mediziner und Botaniker Hermann Boerhaave (1668-1738) hielt den Pfauenbaum für zwar schön aber nutzlos.

 

Zum Weiterlesen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Metamorphosis_insectorum_Surinamensium

Londa Schiebinger: Gender Analysis in Colonial Science, in: P. Lucht, T. Paulitz (Hg.): Recodierungen des Wissens – Stand und Perspektiven der Geschlechterforschung in Naturwissenschaften und Technik, Campus-Verlag, 2008, S159-176

http://www.boston.com/yourlife/health/women/articles/2006/07/24/caesalpinia_pulcherrima_amazing_mystery/?page=full