Hope Bridges Adams Lehmann (1855-1916)
„Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, hat das moralische Recht, die Elternschaft abzulehnen. Er hat die Pflicht, sie abzulehnen, wenn das Wohl des zu erzeugenden Kindes oder von schon vorhandenen Kindern es verlangt.“
Dieses Zitat stammt von 1896; geschrieben von der Ärztin und Sozialreformerin Hope Bridges Adams Lehmann (1855 London - 1916 München)
Es ist mehrfach interessant: zum einen weil wirksame Methoden der Schwangerschaftsverhütung im Vergleich zu heute kaum existierten; zum anderen weil Herstellung, Anpreisung und Verkauf von Verhütungsmitteln lange Zeit verboten waren und Ärzte sich kaum damit befassten; und schließlich, weil aus Adams Lehmanns Bemerkung die Überzeugung der eugenischen Strömung durchschimmert, dass schlechte Gesundheits- und Lebensverhältnisse der Familie die Entwicklung gesunder Kinder unmöglich machen.
Hope Bridges Adams Lehmann war eine der ersten Frauen, die in Deutschland Medizin studierten – wobei ihr alle nur denkbaren Steine in den Weg gelegt wurden. Ab 1882 praktizierte sie gemeinsam mit ihrem Mann Otto Walther in Frankfurt am Main als Allgemeinmedizinerin. Mit ihrem zweiten Mann, Carl Lehmann, ebenfalls Arzt, war sie in München tätig. Durch ihr Engagement für Geburtenkontrolle und für eine Liberalisierung des Abtreibungsverbotes wurde Adams Lehmann im Jahr 1914 von einigen Hebammen wegen ‚fortgesetzten Verbrechens wider das Leben’ angezeigt, allerdings erwiesen sich die Vorwürfe als haltlos und das Verfahren wurde schließlich eingestellt.
Tatsächlich hatte die Ärztin Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, doch konnte ihr kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Sie hatte die Krankengeschichten genau dokumentiert und überzeugte das Gericht von der Notwendigkeit: „Wo hätte ich also Vorsicht üben sollen? Etwa durch Verschleiern und Abweisung von indicierten (= wo es angebracht ist, Anm.) Fällen? ... Die Abweisung von indicierten Fällen wäre eine Verletzung der ärztlichen Pflicht. Der Arzt darf einem Patienten, der sich ihm anvertraut, die Hilfe nicht versagen, weil ihm persönlich Unannehmlichkeiten daraus erwachsen könnten, so wenig als er den Besuch bei einem Infektionskranken unterlassen darf, weil er selbst daran sterben könnte.“
Für neue Rechte und Pflichten für Frauen
Die beliebte und prominente Ärztin Adams Lehmann engagierte sich politisch, weil sie tagtäglich in ihrer Praxis die Not aufgrund wirtschaftlicher, sozialer, medizinischer und gesellschaftlicher Fesseln mit ansehen musste. Am schlimmsten hatten es die Frauen getroffen, weil ihre Zwänge am größten waren:
„... selten dürfte es aber vorkommen, dass eine Frau freiwillig den größten Teil ihres geschlechtsthätigen Lebens mit Schwangerschaft, Säugen und der Pflege von kleinen Kindern zu erfüllen bereit wäre. Sie will auch das Leben ihrer heranwachsenden Kinder mitmachen, was nicht möglich ist, wenn ihre Zeit und Kraft durch die hilflosen Nachkömmlinge immer von Neuem beansprucht wird. Und sie verlangt, neben der Aufgabe des Kindergebärens und Erziehens sich auch an anderen Lebensaufgaben zu beteiligen, als Mensch unter Menschen arbeiten und genießen zu können.“
In ihrem zweibändigen Frauenbuch gab die Autorin Aufklärung und Ratschläge für fast alle Bereiche des Lebens, ermutigte ihre Leserinnen zu vernünftiger Kleidung (ohne Korsett und bodenlange Röcke), informierte über damals moderne Erkenntnisse von Kindererziehung, Bildung und Haushaltsführung und klärte über Körpervorgänge und Gesundheitspflege auf. Das war wichtig, denn die Unwissenheit war groß und damit ein guter Nährboden für gefährlichen Unfug:
„Schwärmer, Fanatiker und Heuchler verlangen die Anwendung der Enthaltsamkeit aus Gründen, deren Erörterung wir uns hier erlassen können. Vernünftige Menschen geben sich mit derlei Vorschlägen nicht ab. Sie wissen, daß die Natur eine Macht ist, welche von Theorien ebenso wenig umgestoßen werden kann, wie der Berg von einem Mückenschwarm. Am allerwenigsten bequemt sich der Geschlechtstrieb dem Zwang irgend einer akademischen oder religiösen Bestimmung. Keine Religion und keine Philosophie und nicht einmal die Not hat ihn zu unterdrücken vermocht. Und wollen wir da klüger sein als die Natur? Wenn wir es uns einbilden, so belehrt uns bald ihre Rache, wie wenig wir sie begriffen haben. Gelangen wir wirklich dahin, das Geschlecht seiner Rechte zu berauben, so geben wir unser Glück und unsere Ruhe in Kauf.“
Quellen:
Hope Bridges Adams: Das Frauenbuch. Ein ärztlicher Ratgeber für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankheiten. 2. Teil, 6. Auflage, Stuttgart, um 1900
Marita Krauss: Hope. Dr. Hope Bridges Adams Lehmann - Ärztin und Visionärin. Die Biografie. München 2009
Cornelie Usborne: Cultures of Abortion in Weimar Germany. New York, Oxford, 2007
Bildquelle:
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