Hein Schott: Chronik der Medizin (2000)

Die Grundlage für das Abbruchverbot der Neuzeit schafft die ‚Peinliche Gerichtsordnung’ Kaiser Karls V. von 1532. Abbruch gilt wie die Kindstötung als Tötungsverbrechen, der Täter soll dafür ‚mit dem Schwert’ hingerichtet, die Täterin einer Fremd- oder Selbstabtreibung ‚ertrenckt’ werden. Dies bezieht sich freilich nur auf den beseelten, d.h. körperlich ausgebildeten und damit als belebt geltenden Fötus. Die Rechtssprechung entschied im Einzelfall, ob ein belebtes Kind anzunehmen war. Dazu wurden Gutachten von Ärzten bzw. Hebammen (so genannten ‚verstendig frawen’) eingeholt. 1572 wird der Beginn des kindlichen Lebens mit der ersten Kindsbewegung in der Mitte der Schwangerschaft festgelegt. Demgemäß wird im 17. und 18. Jahrhundert der Abbruch vor der Schwangerschaftsmitte als Totschlag und nur mit Landesverweisung oder Haft bestraft. Im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus werden die Strafen gemildert: Nach dem josephinischen Gesetzbuch von 1787 wird Abbruch als Kapitalverbrechen ‚nur’ mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft.

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