Kurier: Keine §-144-Reisen mehr nach Budapest, 14. August 1974

Neue gesetzliche Regel für Ausländerinnen

In Bauchnot geratene Damen aus Österreich die zum Zweck einer Abtreibung nach Budapest reisen, stoßen nun im magyarischen Nachbarland auf verschlossene Türen. Durch einen Regierungsbeschluß ist die Schwangerschaftsunterbrechung an ‚nichtungarischen Staatsbürgerinnen’ kürzlich neu geregelt worden. Die Abtreibung in Budapests gynäkologischen Abteilungen wird nur noch an Ausländerinnen vorgenommen, die ‚mit einem ungarischen Staatsbürger verheiratet sind oder die Absicht haben, sich ständig in Ungarn niederzulassen’. Um die Genehmigung zum Schwangerschaftsabbruch – sie wird von einer medizinischen Kommission erteilt – können nur noch Ausländerinnen ansuchen, die ‚zwecks Studium oder infolge eines Arbeitsverhältnisses längere Zeit hindurch in Ungarn leben’. Von den durchschnittlich 178.000 Abtreibungen pro Jahr in Ungarn wurden knapp fünf Prozent an Ausländerinnen vorgenommen. Den größten Anteil stellten Frauen aus Österreich, Italien und Süddeutschland. Der Kostenpunkt einer fünftägigen Paragraph-144-Reise von Wien nach Budapest, Visagebühr, Ärztehonorar und Aufenthalt inbegriffen, belief sich auf 5000 bis 10.000 Schilling. Die jüngste Maßnahme der Budapester Regierung ist nur ein weiterer Mosaikstein in den zahlreichen Bemühungen der letzten Zeit, die Abtreibungszahlen in Ungarn zu senken. Erst im Dezember vergangenen Jahres waren die Bestimmungen für den Schwangerschaftsabbruch verschärft und eine Reihe flankierender Maßnahmen gesetzt worden. So wurden etwa finanzielle Anreize geboten (erhöhte Familienzulagen und Kinderbeihilfen) sowie eine Preiskontrolle bei Kinderversorgungsartikeln eingeführt. Die Heiratswilligen wurden gesetzlich verpflichtet, an einer Beratung über Familienplanung teilzunehmen. Die Verschreibung der Antibabypille wurde durch Erlaß des Gesundheitsministeriums entbürokratisiert.

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