Anna Haslam (1829-1922)

Der Name „Haslam“ sagt Ihnen vielleicht nichts – oder aber Sie assoziieren die englische Rocksängerin und Texterin oder den kanadischen Skateboarder. Auch wir mussten erst nachlesen, wer „Anna Haslam“ war, wollen aber noch schnell ihren kürzlich vergangenen 100. Todestag (am 28. November) zum Anlass nehmen, diese beeindruckende Frau zu würdigen.

 

Irland und die irischen Frauen - nein, eigentlich die ganze irische Gesellschaft - haben Anna Haslam viel zu verdanken. Dass der Schwangerschaftsabbruch nach vielen verzweifelten Jahren seit 2019 innerhalb der ersten zwölf Wochen ohne Begründung und in medizinischen Notfällen sowieso endlich erlaubt ist, beruht in gewisser Weise auch auf ihren unermüdlichen Anstrengungen für Frauenrechte, in diesem Fall der Geburtenkontrolle.

 

Anna Maria Haslam wurde 1829 als sechzehntes von 17 Kindern eines irischen 

Müllers geboren. Ihre Mutter Jane war eine vehemente Kämpferin gegen die Sklaverei. Wie bei den Quäkern üblich, bekamen die Töchter die gleiche Erziehung und (Schul-)Ausbildung wie die Söhne. Das bedeutete auch, dass Anna nach Herzenslust lesen durfte. Unter anderem verschlang sie die Bücher der ersten englischen Soziologin Harriet Martineau. Nach ihrem Schulabschluss half sie ihren Eltern beim Betrieb einer Suppenküche während der Großen Irischen Hungersnot (1845 und 1849), denn als Folge mehrerer durch Kartoffelfäule ausgelösten Missernten verhungerte eine Million Menschen - etwa zwölf Prozent der irischen Bevölkerung -, weitere zwei Millionen sahen sich zur Auswanderung gezwungen. 

Aber auch die Mädchenausbildung war ihr ein Anliegen, weshalb sie mit ihrer Schwester Deborah eine Werkstatt für Häkeln und Stricken eröffnete. Dort arbeiteten bald mehr als 100 Mädchen und verdienten so eigenes Geld. Später gründete sie auch die Vereinigung der Irischen Lehrerinnen und anderer Unterstützerinnen der Mädchenerziehung. 

 

Derartige Initiativen flammten auf, weil die Mitarbeit von Frauen in der Bildungsvermittlung damals von vielen genauso abgelehnt wurde wie die politische Mitbestimmung von Frauen. Noch 1867 wiesen die (ausschließlich männlichen) Mitglieder des Britischen Unterhauses (zuständig für Gesetzgebung und Staatshaushalt) den Vorschlag zurück, Frauen das Wahlrecht einzuräumen. 

Frauen – vor allem aus der Mittelschicht – sollten sich im häuslichen Umfeld aufhalten, wogegen Männer die industrielle Revolution mit der Ausbreitung von Handel und Gewerbe, Finanzwirtschaft und neuen Berufen, mit dem Aufbau von Reichtum und politischer Macht vorantrieben. 

 

Ihr Mann unterstützte ihren Kampf

Auch Annas Mann, der Journalist und Forscher Thomas Haslam, den sie im Jahr 1854 heiratete, war Quäker und ein aktiver Unterstützer von Frauenrechten. Gemeinsam gründete das Ehepaar The Dublin Women’s Suffrage Assosiation (DSWA). Anna machte sich auch für die Rechte von weiblichen Sexarbeiterinnen stark, die 1864 per Gesetz zu den (alleinigen) Verantwortlichen der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten gemacht wurden, während die beteiligten Männer unbescholten blieben.

 

1868 veröffentlichte Thomas Haslam das Buch „The Marriage Problem“, in dem er die zivilisatorische Bedeutung von Geburtenkontrolle (durch zeitweise Abstinenz) hervorhob. Paradoxerweise hatten ihm aber seine entsprechenden Quellen in ihrer Unwissenheit falsche Informationen über die „sicheren“ Zeiten im Zyklus der Frau angegeben. Es dauerte noch 60 Jahre, bis Hermann Knaus und Kyusaku Ogino die Zusammenhänge zwischen Eisprung und Menstruation aufklären konnten.

 

Trotz dieses schwerwiegenden fachlichen Irrtums war die Beschäftigung mit 

Geburtenkontrolle als Anliegen und Notwendigkeit eine wichtige Leistung des Ehepaares Haslam. Anna beriet Frauen über Verhütungsmöglichkeiten und korrespondierte diesbezüglich mit Marie Stopes*, der schottischen Frauenrechtsaktivistin und Pionierin im Bereich der Familienplanung. 

 

Unter den vielen weiteren Aktivitäten Anna Haslams zur Stärkung der Frauenrechte sei noch die Einführung weiblicher Patrouillen in Dublin genannt, um junge Mädchen aus der (Zwangs)Prostitution zu retten. In der Folge wurden die ersten Polizistinnen in den Dienst aufgenommen.

 

*Siehe auch https://muvs.org/de/themen/pionierinnen/marie-stopes-1880-1958/