1945: Maria Karoline G., Engelmacherin

Am 9. Jänner 1945 wird in Wien wegen des Verbrechens der gewerbsmässigen Abtreibung der Leibesfrucht ein Todesurteil an Maria G. vollstreckt.

Von Dezember 1938 bis 20. März 1943 können ihr fünf durchgeführte und drei versuchte Abtreibungen nachgewiesen werden. Seit 27. März 1943 ist sie in Haft.

Maria G. heiratet 1907 ihren Vetter, der eine Gemischtwarenhandlung in Vöcklamarkt führt. Doch nach einem halben Jahr macht er Konkurs und ist bis zu seinem Tode 1923 als Müllergehilfe in diversen Mühlen Oberdonaus tätig. Durch die Geldentwertung verliert Maria ihr vom Vater geerbtes kleines Vermögen und steht nun mit ihren Söhnen ohne Einkommen da. Durch Heimarbeiten, wie Näh- und Flickwerk, ermöglicht sie ihren Söhnen eine Ausbildung: zwei werden Ingenieure, der dritte Obergefreiter. Neben den Heimarbeiten beginnt sie Abtreibungen vorzunehmen.

Erstmals wird sie im Mai 1923 zu zwei Monaten Kerker wegen Eingriffs an einer ledigen Dienstmagd verurteilt. Ab 1924 geht sie eine Lebensgemeinschaft mit dem Bergarbeiter Johann S. ein. Im Laufe der Zeit muss sie sich mehreren Unterleibsoperationen unterziehen, magert bis auf 45 Kilo ab, wird lungenkrank, was zur Auflösung ihrer zehnjährigen Beziehung führt. Da sich Johann S. mit einer anderen Frau verheiratet, muss sie aus der gemeinsamen Werkswohnung ausziehen und von der Unterstützung ihrer Söhne leben.

1933 wird sie zu drei Monaten schweren Kerkers und im September 1937 wegen mechanischer Eingriffe bei drei Schwangeren zu sechs Monaten schweren Kerkers verurteilt. Zur Last gelegt wird ihr das Einführen eines Katheters in die Gebärmutter, wodurch die Eiblase angestochen wird, was die Beendigung der Schwangerschaft zur Folge hat.

Sie behauptet, einige Abtreibungen nur vorgetäuscht zu haben, um zu der versprochenen Entlohnung von 50 bis 100 RM zu kommen. Erschwerend werden die Wiederholung der Straftat und ihre Vorstrafen gerechnet. Mildernd werden das teilweise Geständnis, ihre Krankheit, ihre Notlage und die Tatsache, dass sie von ‚den Frauenspersonen’ bedrängt worden war, berücksichtigt. Betont wird ihre Uneigennützigkeit, da sie ihre drei Kinder zu ordentlichen Menschen erzogen hat; deswegen ist sie nicht todeswürdig. Das Sondergericht Linz verurteilt sie daher zu zehn Jahren Zuchthaus.

Doch das Sondergericht Wien widerspricht am 21. November 1944 und hebt neben der Gewerbsmäßigkeit die Tatsache hervor, dass dies im vierten Kriegsjahr passiert, ‚wo doch die Fortdauer des deutschen Volkes durch Förderung von Kinderreichtum gewährleistet sein muss’. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich um deutsche Frauen und Mädchen handelt. Da man ihr Unverbesserlichkeit, Hemmungslosigkeit und ‚dadurch besondere Gefährlichkeit’ vorwirft, wird sie in Anwendung des § 1 Änderungsgesetzes zum Tode verurteilt. Die Kosten des Strafverfahrens fallen der Angeklagten zur Last.

Quelle: Oberösterreichisches Landesarchiv, Linz; Sondergerichte-Oberstaatsanwaltschaft, Sch. 1034, II Sg 546/43